Sonntag, 6. April 2014

Anna Hope - Abgesang



Es ist der Herbst im Jahre 1920, als die englische Regierung auf die Idee kommt, einen unbekannten Soldaten in allen Ehren zu bestatten, stellvertretend für alle Soldaten die im Krieg fielen und von denen keine Gräber vorhanden sind. Am Tag des Waffenstillstandes soll es soweit sein und es wird eine große Menschenmenge erwartet. Durch die Augen von 3 verschiedenen Frauen erleben wir dieses Ereignis.

Ada, die ihren 18-jährigen Sohn in den Krieg ziehen sah und der nie wieder zurück kehrte. Trotz einem unpersönlichen Brief, der sie von seinem Ableben unterrichtet, ist sie davon überzeugt, dass Michael noch lebt. Mit ihrer Unfähigkeit um ihren Sohn zu trauern und danach abzuschließen gefährdet sie ihre Ehe, denn ihr Mann kann das kaum noch ertragen.

Die fast 30-jährige Evelyn hat ihren Verlobten im Krieg verloren. Obwohl sie aus reichem Hause kommt fängt sie in einer Munitionsfabrik an zu arbeiten. Möchte sich dafür bestrafen, dass sie noch am Leben ist. Später nimmt sie einen Job in einer Behörde an, die für die Rentenzuteilung zuständig ist. Sie will nicht mehr glücklich sein. Genau wie ihr Bruder Edward, der durch die Schrecken des Krieges anfängt zu trinken. Auch er kommt, wie so viele mit dem Grauen nicht zurecht, das er erlebt hat.

Hattie ist mit ihren 19 Jahren die Jüngste. Kurz nach dem ihr Vater starb, kam ihr Bruder schwer traumatisiert vom Krieg nach Hause. Körperlich unversehrt, kann er doch keiner Arbeit mehr nachgehen, weil seine Seele so zerstört wurde. Hattie kündigt ihren Job und fängt in einem Tanzpalast als Miettänzerin an. Sie hofft, dadurch vielleicht einen reichen Mann kennenzulernen der sie aus der Verzweiflung und die Notwendigkeit ihre Familie Finanziell versorgen zu müssen, herausholt. 

Was für eine Geschichte. Das Buch erfasst nur 5 Tage, aber die haben es in sich. Die Autorin schafft es perfekt die Stimmung der Nachkriegszeit aufzufangen und dem Leser die Melancholie dieser Zeit nahe zu bringen. Ihre Beschreibungen der "Helden des Krieges" haben mir sehr zu schaffen gemacht. Arme zerbrochene Männer, oft Körperlich versehrt müssen bei der Regierung um finanzielle Unterstützung betteln. Müssen sich erniedrigen obwohl sie Tag für Tag ihr Leben für ihr Land aufs Spiel gesetzt haben. So hatte ich das vorher noch nie gesehen. Es gab kaum Arbeit für diese Männer, die wieder nach Hause zurückgekehrt waren.

Wie egoistisch und klein kamen mir dagegen Hatties Probleme vor. Sie konnte nicht verstehen, warum diese Männer sich so hängen ließen. Warum ihr Bruder nachts schreit und am Tag ins Leere starrend am Tisch sitzt. Sie will Leben, tanzen, alles einfach hinter sich lassen. Von vorne beginnen. Vergessen was war.

Das können Evelyn und Ada nicht so einfach. Sie wollen auch gar nicht vergessen, nicht nach vorne schauen, denn das bedeutet Leben.

"Abgesang" ist mit Sicherheit kein Buch für mal schnell zwischendurch, trotzdem möchte ich eine absolute Leseempfehlung aussprechen.. Schon alleine dafür, weil es der Autorin gelungen ist, mich an der Verzweiflung Teil haben zu lassen, die die Menschen kurz nach dem Krieg befallen hatte . Ich fand das Buch großartig und darum vergebe ich 5 von 5 Byrons und den Favoritenstatus.

© Beate Senft