Samstag, 1. November 2014

Agnes Christofferson - Elsas Stern [Beate]



Elsa ist ein Mädchen wie viele andere. Sie trifft sich heimlich mit Jungs und raucht und ist voller Leben. Doch dann ändert sich alles für sie, dann sie ist Jüdin. Plötzlich müssen sie und ihre Familie sich verstecken. Aber das Hass auf die Juden wird immer schlimmer, so dass sich Elsas Vater entschließt, mit der Familie nach Amerika zu fliehen. Im Juli 1944 ist plötzlich nichts mehr so wie es war, denn die Familie wird verraten und findet sich in Auschwitz wieder. Sofort werden Elsa und ihre jüngere Schwester Hanna von den Eltern getrennt. Sie müssen einiges über sich ergehen lassen, bis sie schließlich in eine völlig überfüllte Baracke gebracht werden, wo sie sich einen Platz zum Schlafen suchen sollen. Die Bedingungen sind grauenhaft. Die Gefangenen werden schlechter als Tiere behandelt, bekommen weder ausreichend zu Essen noch zu Trinken. Elsa muss am ersten Abend ihren Durst aus einer schlammigen Pfütze stillen. Und das ist erst der Anfang. Was die beiden Mädchen erleben ist schlimmer als die Hölle.....

Puh! Ich habe schon einiges über die NS-Zeit gelesen und obwohl das Buch reine Fiktion ist, hat die Autorin sehr gut recherchiert und eine ergreifende, brutale, aufregende und unmenschliche Geschichte geschrieben. Das Buch beginnt mit einem Brief von Elsa an ihre Schwester Hanna und schwenkt dann nach New York in das Jahr 1979. Hier lebt Elsa mit ihren Töchtern Salome und Leni und nach einem Vorfall in einem Restaurant bekommt Leni Elsas Tagebuch ausgehändigt. 

"Während fast unsere gesamte Verwandtschaft bereits deportiert worden war, sorgte er für uns wie ein Vater für seine Kinder. Mit uns meine ich meinen Vater Samuel Goldberg, meine Mutter Auguste und meine jüngere Schwester Hanna. Im Juni 1944, als sich das alles zugetragen hat, war ich achtzehn Jahre alt und versteckte mich mit meiner Familie bereits seit über einem Jahr vor den Nazis. In diesem Sommer trafen meine Eltern eine folgenschwere Entscheidung. Am besten fange ich jetzt einfach mal an." (Seite 29, Elsas Stern)

Was darin geschrieben steht ist das Grauen. Oft musste ich gegen die Tränen kämpfen, denn mir war immer bewusst, dass viele Menschen wirklich so eine schreckliche Zeit durchgemacht haben. Sie mussten Hunger und Durst erleiden, wurden geschlagen, gedemütigt, teilweise sind die Menschen erfroren, alte, schwache, kranke und schwangere wurden sofort vergast (durch den Kamin geschickt nannte man es in Auschwitz) Man machte Experimente mit und an Ihnen, operierte sie ohne Narkose und schickte sie mit offenen Wunden arbeiten. Viele schufteten sich zu Tode oder wurden, wenn sie keine Kraft mehr hatten, einfach erschossen.

"Dann aber erkannte Elsa mit klopfendem Herzen ein langes Metallinstrument in seiner Hand und sie konnte nichts gegen die Tränen tun, die ihr in diesem Moment über die Wangen liefen. Das Grinsen des Arztes wurde breiter, dabei zeigte er eine Reihe gepflegter Zähne. "Keine Angst. Es handelt sich nur um eine Routineuntersuchung", sagte er mit einer Betonung, die Elsa überhaupt nicht gefallen wollte. Der Junge nickte. "Hast du Angst?" fragte der Arzt weiter. Erneut nickte der Junge. Der Arzt schaute ihn verständnisvoll an. Dann beugte er sich nach vorne und legte eine Hand auf seine Schulter. "Das brauchst du nicht. Heute werden wir ein Mädchen aus dir machen. Das wird schön. (Seite 70/71 Elsas Stern)

Elsas Geschichte ist schrecklich, aber ich bin sehr froh, sie gelesen zu haben. Wir dürfen nicht vergessen was war. So etwas darf nie wieder geschehen. Wir müssen die Augen offen halten und dürfen nicht weg schauen. 

Der Schreibstil der Autorin ist sehr bildhaft und eindringlich. Sie hat es geschafft, aus dieser schrecklichen Vergangenheit eine interessante Geschichte zu machen, die wirklich jeder lesen sollte. Durch den Wechsel zwischen den Passagen des Tagebuches und dem Leben von Elsas Töchtern, kam ich immer wieder zum Luft holen. Konnte kurz das Gelesene verarbeiten, bevor der nächste Auszug aus dem Tagebuch kam. Anders hätte ich das auch nicht ertragen. So konnte ich mich immer wieder sammeln, die Tränen trocknen lassen und mich auf neuen Schrecken vorbereiten. Aber Elsa bekam auch Hilfe und Freundschaft. Ich denke, ohne das, hätte sie wohl irgendwann aufgegeben. 

Ich vergebe für dieses wichtige Buch 5 von 5 Byrons, den Favoritenstatus und eine Leseempfehlung für alle. Ich bin der Meinung, das Buch sollte zur Schullektüre zählen, denn für viele Kinder ist die Nazizeit nichts anderes als ein Witz. Man macht sich darüber lustig und kapiert überhaupt nicht, was damals vor sich ging. Lest Elsas Stern, denn es ist ein Buch das man nie wieder vergisst.
© Beate Senft